Der Albtraum im Binärcode

Vollkommen unbemerkt von der gesamten Schülerschaft spielt sich in den Gemäuern des Gymnasiums seit nunmehr 3 Jahren eines der unmenschlichsten Geiseldramen der Kriminalgeschichte ab. In den Räumen 204 bis 206 werden nämlich seit dem Schuljahr 1997\98  ungefähr 10 Schüler gegen ihren Willen festgehalten. Um euch das ganze Ausmaß der psychischen  und physischen Quälereien  näherzubringen, bringen wir euch jetzt ein Exklusivinterview mit zwei betroffenen Schülern. Da sie sich zu Zeitpunkt des Interviews noch immer in Geiselhaft befanden, können wir die vollen Namen nicht nennen. Sie sind aber nicht allzu schwer zu erraten.

A.B.I:   Ich weiß natürlich, dass dieses Interview eure sowieso schon angeschlagene Psyche noch weiterhin belasten wird. Wenn ich also mit meinen Fragen zu weit gehen sollte bitte ich euch, mich darauf hinzuweisen.

Schüler 1:  (mit merklich gedrückter Stimme) Ja, ist selbstverständlich.

Schüler 2:  Ne ne, käh Thema.

A.B.I.:  Also, um das Übel mal an den Wurzeln zu packen: Wie seit ihr eigentlich genau in die Klauen des Lehrers gekommen, der euch seit jetzt fast 3 Jahren das Leben zur Hölle macht?

SCHÜLER 1:  Naja, also, es ist ja so. Am Ende des 10. Schuljahres konnte man ja so einige Fächer wählen. Da uns allen gesagt wurde, jeder der schon mal einen Computer von weiten gesehen hätte oder sogar den Taschenrechner mal zu etwas anderem als ESEL oder LIEBE schreiben benutzt hätte würde dieses Fach im Schlaf beherrschen, kreuzten wir leichtfertig "INFORMATIK" an. Ich glaube, das war der schwerste Fehler meines Lebens....

A.B.I.:  Ihr habt also quasi euer Schicksal selbst besiegelt?

SCHÜLER 2:  (mit verzweifelter Miene) Aber wir wußten es doch nicht besser!

A.B.I.:  Ist es denn nicht so, dass man diese Wahl noch in der 11 abändern kann? Warum habt ihr denn diese Möglichkeit nicht genutzt? Es ging doch um eure Jugend!

SCHÜLER 2:  Wir haben einfach nicht den Ernst der Situation erkannt. Außerdem hat wohl auch Herr Doe*PIEP*...

A.B.I.:  Ich hatte euch doch gebeten, keine Namen real existierender Personen zu nennen!

SCHÜLER 1:  Wir dürfen hier noch nicht einmal Herr .*PIEP*tsch sagen? Wo bleibt denn da die Pressefreiheit?

A.B.I.:  Das basiert auf personenenschutztechnischen Gründen! Nennt ihn  einfach ähh... den DETERMINATOR!

SCHÜLER 2:  Ist ja auch egal. Auf jeden Fall hat der Determinator anscheinend auch von dieser Möglichkeit gehört. In der gesamten 11. Klasse wurde das Niveau zwar auf anspruchsvollem aber nicht unzumutbaren Niveau gehalten. Aber in der 12 hat er dann die Daumenschrauben angelegt. ... Oh Gott, ich glaube, ich muß mich übergeben. (SCHÜLER 2 rennt zum Mülleimer und begrüßt sein Frühstück ein zweites Mal. Aschfahl und in gebückter Haltung kehrt er zu seinem Platz zurück)

                     Entschuldigt bitte, aber die Erinnerung an diese Anfangszeit lässt mich einfach erschaudern.

A.B.I.:  Sollen wir vielleicht eine kurze Pause machen?

SCHÜLER 1:   Auf keinen Fall! Solange wir hier mit Ihnen reden sind wir vor dem Determinator sicher. Ich übernehme einfach bis er sich wieder erholt hat.

A.B.I.:  O.K., wie ihr wollt. Entschuldige bitte meine detaillierten Fragen, aber ich kann mir eure Qualen als Mensch, den immer in Freiheit gelebt hat nur so vergegenwärtigen und ich denke unseren Leben geht es ähnlich. Wie sahen die angesprochenen Qualen denn aus?

SCHÜLER 1:   Also, eine gewisse Belastung war eigentlich permanent vorhanden. Allein schon durch die permanenten "NJE" - "NAAAAHH" Geräusche oder die immer wiederkehrenden Griffe in das lichte Haar verschafften uns immer wieder Albträume. Sehr beliebt waren auch die periodischen Abfragungen an dem gefürchtetsten Folterinstrument der Schule: der Tafel. Seine Opfer schien der Determinator nach dem Prinzip: "Wer könnte es wohl gar nicht verstanden haben?" auszuwählen. Da dies auf so ziemlich jeden Gefangenen zutraf, war es ihm ein leichtes uns mit schlechten Zensuren zu läutern.

SCHÜLER 2:   (zeigt verschämt und verschüchtert auf) Ich möchte bitte hierzu etwas sagen: Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich einmal .... (lange Pause, SCHÜLER 2 spricht tränenüberströmt weiter) ... eine ganze Schulstunde, also 45 Minuten allein an der Tafel beweisen mußte, warum ein endlicher-Azeptor - Automat kein Wort der Form anbn (???? Anm. der Redaktion!) akzeptieren kann. (SCHÜLER 2 gibt nun merklich Würggeräusche von sich ab und rennt dann erneut zu Mülleimer, wo er jetzt knien bleibt und bitterlich weint)

SCHÜLER 1:  (beugt sich zu mir und flüstert:) Sie müssen ihn verstehen; er hat seit nun fast 7 Wochen seine Mutter nicht mehr gesehen und unterliegt seit nunmehr 17 Tagen dem strickten Schlafentzug, der durch den Determinator persönlich überwacht wird.   Aber zurück zu den Foltermethoden: Seit nicht allzu langer Zeit gehört auch Einzelhaft bzw. Unterbindung jeglicher Kontakte zu anderen menschlichen Wesen zu seinem Repertoire: Er begründet dies dann mit Phrasen wie "Du bist einfach zu gut und damit nicht teamfähig" und verbietet damit die Teilnahme an der Gruppenarbeit. Ich könnte diese Liste weiterführen, aber dann könnte ich mich wahrscheinlich zu meinem Leidensgenossen da hinten gesellen. (zeigt auf SCHÜLER 2, de immer noch flennend vor der stinkenden Mülltonne liegt.)

A.B.I.:  Nein, nein. Ich denke, das genügt wohl fürs erste. Gab es denn nie Fluchtversuche um aus dieser Hölle auf Erden zu entkommen?

SCHÜLER 1:  (überlegt und reibt sich bedächtig sein Kinn, dann fängt er leise an zu erzählen...) Doch doch. Ganz am Anfang hatten wir mal so was lustiges ohne Bart - wie heißt das denn noch mal? -  Ach ja: Ein MÄDCHEN. Sie war von weither gekommen und erkannte bald, dass sie den Belastungen wohl doch nicht standhalten könne. Zunächst stießen ihre Schreie beim Determinator auf taube Ohren. Als die U.N. ihn aber darauf hinwies, dass Frauen laut den Genfer Konventionen nicht zum Dienst an der Tastatur gezwungen werden dürfen, entließ er sie unter Protest in die Freiheit.

                     Außerdem hat am Ende der 12. Klasse, also nach zwei vollen Jahren auch ein männliches Mitglied der männlichen Fraktion ein Loch im Gesetz entdeckt und gab Informatik als sein freiwilliges Fach einfach ab. (SCHÜLER 1 sitzt gedankenverloren in seinem Stuhl, schüttelt pemanent seinen Kopf und murmet immer wieder: "Er hat es einfach abgegeben! Er hat es einf...". Unterdessen kehrt SCHÜLER 2 zurück zu seinem Platz. Er scheint sich wieder gefasst zu haben.)

A.B.I.:  Vielleicht könne die letzten Fragen ja jetzt noch von Dir beantwortet werden. Wie lange denkt ihr wird euer Martyrium denn noch dauern? Steht euch Hilfe in Aussicht?

SCHÜLER 2:  Also, wir haben es vor circa 2 Monaten geschafft aus einem Taschenrechner, einem Radiergummi und zwei Mensa - Vollkornbaguetts als Stromquelle ein Email Terminal zu bauen. Damit haben wir einen Hilferuf an Amnesty International geschickt. Diese antworteten uns, dass sie nur gegen Demagogen in Form von menschlichen Wesen vorgehen können. Diese Vorbedingung wird zur Zeit geprüft. Bei positiven Ergebnis werden wir wohl mit Hilfe einer schnellen Eingreiftruppe befreit werden. Wir hoffen, dass dies bis zum 19.06.2000 geschehen wird, so dass wir zusammen mit den anderen Abiturienten entlassen werden können.

A.B.I.:  Was werdet ihr denn in eurer Freiheit als Erstes machen?

SCHÜLER 2:  Zunächst kräftig feiern, dann ausgedehnte Rekreationsphasen an Mallorcas Stränden. Anschließend werden wir eine Stiftung zur Rettung der Seele gequälter Informatik-Schüler ins Leben rufen. Dies alles natürlich alles unter der Hoffnung, dass wir das alles hier überleben werden.

A.B.I.:   Ich danke euch für dieses emotionale Gespräch, wünsche euch alle Kraft der Welt und Gute Besserung und übergebe euch das Feld für ein letztes Wort.

SCHÜLER 1 und SCHÜLER 2:  Wir möchten alle Schüler dazu anhalten Fächer wie Französisch, Chemie oder Physik nicht allzu früh abzuwählen und sich so das Seelenheil zu retten.

Christoph Mohr

 

 

Naaaa, komm mal an die Tafel...

 

Das waren leider nicht die Computer, mit denen wir arbeiten durften...

 

                   Die veröffentlichten Inhalte geben die Meinung der Verfasser und nicht der Schule oder der Schulleitung wieder.

1