Es
wird hart, Mann Guten Mooorgen!
Wenn diese Worte erklangen, wussten achtzehn Freigeister, dass es wieder einmal an der
Zeit war. Herr Hartmann, der Mann mit den legendären Wollpullovern, hatte soeben den Raum
betreten, und war das Thema günstig, so konnten wir uns auf lebhafte literarische
Diskussionsrunden gefasst machen. Und günstige Themen, das waren eindeutig die
altbewährten Romane der Herren Goethe, Mann, Fontane und wie sie sonst noch alle heißen.
Andrea
Nagel, Wie fandest du den Roman? Dies war für gewöhnlich die erste Frage, die von
unserem Moderator (= Fachlehrer) gestellt wurde. Und ehe man sich versah, war bereits die
Diskussion in vollem Gange. Dabei ging es oftmals sehr lebhaft zu, denn wie man es sich
bei achtzehn literarischen Freigeistern vorstellen kann, waren wir uns bei der Beurteilung
der großen Werke der Weltliteratur nur allzu oft uneinig. Aber da gab es ja noch den
Herrn Hartmann. In stoischer Ruhe leitete er seine Talkgäste aus dem Fachbereich der
Germanistik durch die Sendung, d.h. durch die Unterrichtsstunden, und siehe da: Mit einem
Male öffnete sich uns der Blick, um mit tiefstem Mitgefühl die Leidenswege solcher
Persönlichkeiten wie die der Buddenbrooks oder eines Werther nachzuvollziehen. Und so
ganz nebenbei klärte uns unser Gastgeber noch über die Hintergründe der
geistesgeschichtlichen Epochen auf. Doch diese Runden, die Ähnlichkeiten mit dem
literarischen Quartett nicht verbergen konnten, hatten immer wieder ein jähes Ende. Dies
war besonders dann der Fall, wenn es an die Interpretation von Gedichten ging. Der einmal
geäußerte Kommentar unseres Gastgebers Ich bin der Hartmann, ich bin
hart. sollte sich hier nun bewahrheiten. Wir als Freigeister des literarischen
Schaffens wurden nun des öfteren in unsere Schranken verwiesen- allerdings nach wie vor
im Rahmen der hartmannschen Gelassenheit: Ach nee, so würde ich das nicht
schreiben, aber hören wir uns noch einen anderen Vorschlag an. Und siehe da, nach
drei Interpretationsansätzen hatten wir alle den Sinn des Gedichtes erfahren, und
sämtliche freigeistlichen Nerven lagen blank. Unvergesslich auch die Kursfeiern in immer
wechselnden Pizzerien, zu denen Herr Hartmann gelegentlich etwas später erschien:
Hallo, Leute, habt ihr
schon bestellt? Wir haben schon gegessen. Aber nicht immer
verlief unser Zusammenkommen harmonisch. Denn Freigeister sind von Natur aus etwas
hitziger, wenn es um die Klärung wissenschaftlicher Fragen geht. Zur Entfaltung der
absoluten Wahrheit drängen sie möglichst schnell auf die Erörterung germanistischer
Probleme und wurden des öfteren von Herrn Hartmann zu mehr Geduld genötigt: Ich
will zuerst noch weitere Deutungsvorschläge hören, bevor wir über das Thema sprechen. Besonders in Hinblick auf
anstehende Kursarbeiten wirkte eine solche Ankündigung oftmals mehr als beunruhigend.
Doch letzten Endes ging meistens doch noch alles gut, und so können wir nun am Ende
unserer schulischen Laufbahn mit gefestigtem Fachwissen im Bereich der Germanistik zurück
zu Marcel Reich- Ranicki, um ihm mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Daniel Kollig |
Dieter Hartmann, ausnahmsweise mal ohne Wollpullover |
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